Die Ebernburg im europäischen Licht

Zur Verleihung des Europäischen Kulturerbe-Siegels an die Ebernburg.

Wie die Antizipation einer sehr gelungenen Gratulation zum hundertjährigen Jubiläum der 1914 gegründeten Ebernburg-Stiftung, die als Eigentümerin der weitläufigen Baulichkeiten seitdem stets das Ziel verfolgte, die Ebernburg in ihrer geschichtlichen Bedeutung zu erhalten und auszugestalten, erreichte uns aktuell die erfreuliche Nachricht, dass der Ebernburg das Europäische Kulturerbe-Siegel verliehen worden ist.

Ursprünglich 17 europäische Staaten initiierten im April 2006 die Idee eines Europäischen Kulturerbe-Siegels. Seit 2011 wurde diese Initiative zu einem offiziellen EU-Projekt mit einheitlichen Vergabekriterien aufgewertet, an dem alle Mitgliedsstaaten teilnehmen können. Die Maßnahme ergänzt andere Klassifizierungen, wie z. B. das UNESCO-Welterbe. Gleich zu Beginn der Leitlinien für Bewerberstätten wird als allgemeines Ziel des Projekts formuliert, das Zugehörigkeitsgefühl der europäischen Bürgerinnen und Bürger, insbesondere von jungen Menschen, zur Europäischen Union auf der Grundlage gemeinsamer Werte und Elemente der europäischen Geschichte und des Kulturerbes zu stärken, den Stellenwert der nationalen und regionalen Vielfalt zu würdigen sowie das Verständnis füreinander und den interkulturellen Dialog zu fördern.

In Artikel 7 „Kriterien“ des Beschlusses Nr. 1194/2011/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16.11.2011 zur Schaffung einer Maßnahme der Europäischen Union für das Europäische Kulturerbe-Siegel sind Teile der für eine Verleihung zu erfüllenden Bedingungen festgehalten. So muss die Bewerberstätte einen symbolischen europäischen Wert aufweisen und in der Geschichte und Kultur Europas eine herausragende Bedeutung innehaben. Ihrem Einfluss soll ein grenzübergreifender oder sogar europaweiter Charakter eignen und sie soll eine besondere Rolle innerhalb der europäischen Geschichte bei maßgeblichen Ereignissen gespielt haben. Solchen materiellen bzw. durchaus auch immateriellen Stätten sollen zudem pädagogische Dimensionen zukommen, mit denen jungen Europäern der besondere historische Wert der betreffenden Objekte vermittelt werden kann.

In Deutschland wurden bislang Liegenschaften zweier sog. Netzwerke damit ausgezeichnet. Acht Orte des überwundenen ehemaligen Eisernen Vorhangs sowie zwanzig Stätten der Reformation sind darunter. Ausgewählt wurden bei Letztgenanntem Städte und Wirkungsorte, die an große Ereignisse oder Personen der Reformationsgeschichte erinnern. Sie sind, den historischen Gegebenheiten des frühen 16. Jahrhunderts entsprechend, über die gesamte Bundesrepublik Deutschland verteilt. Zu ihnen gehören neben Bretten, Eisenach, Eisleben, Erfurt, Marburg, Mansfeld, Torgau, Wittenberg u. a. nun auch Worms u n d Bad Münster am Stein-Ebernburg mit der Ebernburg. Dass bislang lediglich zwei Stätten in Rheinland-Pfalz im langen Instanzenweg diese Auszeichnung erhielten, ist hervorzuheben und erfüllt die Verantwortlichen der Ebernburg-Stiftung mit besonderem Stolz.

Der Ehrung ging zunächst der Vorschlag bzw. eine Vorauswahl auf nationaler Ebene voraus, dann fiel auf Ebene der europäischen Union die Entscheidung einer kritischen europäischen Fachjury, bestehend aus 13 von verschiedenen EU-Gremien berufenen unabhängigen Experten. Die geistigen Väter der Initiative gehen übrigens bei erfolgreicher Zuerkennung von einer Steigerung der wirtschaftlichen Attraktivität und - durch den entstehenden bzw. neu belebten Kulturtourismus - von einer nachhaltigen Entwicklung der Gesamtregion, in welcher die Stätte angesiedelt ist, aus. Betrachtet man die Topographie der Ebernburg inmitten der malerischen Landschaft der Nahe-Nordpfalz-Region, in der sie, flankiert von Naturdenkmälern wie Rotenfels und Rheingrafenstein, als imposant wirkendes Bauwerk liegt und denkt an die hier angesiedelten Initiativen in den Bereichen nachhaltiger Tourismus (Naheland-Touristik GmbH), Weinkultur (Weinland Nahe e. V.), Gesundheit und Wellness (vom Kurbetrieb bis zum Regionalbündnis Soonwald-Nahe e. V.), so wird der nun dazutretende europäische Aspekt zweifelsfrei große Synergien schaffen.

Die bedeutende, wechselvolle Geschichte der Ebernburg in reformatorischer Zeit ist das Eine. Hinzu kommen die seit Jahrzehnten dort geleisteten Bildungsmaßnahmen und kulturellen Aktivitäten, die dazu beitrugen, die hoch gesteckten Auswahlkriterien zu erfüllen. Es sei am Rande angemerkt, dass die Zahl der Mitbewerber zur Erlangung solcher Gütesiegel stets beträchtlich ist. Diese Verleihung belohnt u. a. die jahrzehntelange Arbeit aller für die Ebernburg Tätigen. Speziell betrifft dies die Ebernburg-Stiftung, die eine fortgesetzte universitär-wissenschaftliche Forschung gefördert hat (der 103. wissenschaftliche Vortrag steht an), sowie akribische publizistische Arbeit leistet (Sie halten die 47. Folge der Ebernburg-Hefte in Händen), die eine umfassende reformationsgeschichtliche Bibliothek im rekonstruierten Torturm der alten Sickinger-Festung pflegt bzw. ausbaut und schließlich in effektiver Kooperation mit Lehrenden verschiedener Universitäten seit langen Jahren angehende Akademiker zu Lehrveranstaltungen unterschiedlicher Fachdisziplinen auf die Burg bringt. Immerhin hat die enge Kooperation mit der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes-Gutenberg-Universität zu Mainz dazu geführt, dass dort zur Unterstützung von Studierenden und Lehrenden der sog. Ebernburg-Hörsaal eingerichtet wurde. Hinzu kommen die traditionell guten Vernetzungen mit den drei mit der Ebernburg als Herberge der Gerechtigkeit verbundenen angrenzenden evangelischen Landeskirchen.

Die nun zur Kennzeichnung der geehrten Stätte auf unbegrenzte Zeit zuerkannte Plakette verbindet in graphischen Kürzeln „Europa“ und „Architektur“ miteinander. Passend zum abgebildeten Bogen des Piktogramms wurde sie am Torturm der Ebernburg angebracht und erreicht damit den Blick des ankommenden Besuchers.

Wir bedanken uns recht herzlich bei den für diesen besonderen Vorgang politisch Verantwortlichen auf Landes- und auf Bundesebene, namentlich bei den Herren Carsten Pörksen MdL und Fritz Rudolf Körper MdB, ehemals Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister des Innern, für eine stete Begleitung im regionalen und auch im übergreifenden politischen Raum. Wir danken Herrn Walter Schumacher, Staatssekretär im Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz, und seinem Team, Herr Ministerialrat Anton Neugebauer sei dabei hervorgehoben, für die permanente Unterstützung und die Überreichung des Europäischen Kulturerbe-Siegels. Dank sagen wir auch allen anderen, die unserem Gremium halfen, diese besondere Würde erringen zu können. Die ehrenamtlich tätigen Funktionsträger der Ebernburg-Stiftung hoffen, den mit dieser Auszeichnung verbundenen hohen Erwartungen und den dabei anstehenden künftigen Evaluationen gerecht werden zu können.

Der einstige Burgherr Franz von Sickingen, der mit seinen vielschichtigen, unterschiedlich bewerteten strategischen Aktivitäten im Umbruch der Zeiten vor 500 Jahren den Blick der Mächtigen auf sich und auch auf seine imposante Renaissancefestung lenkte, hätte an dieser positiven Entwicklung einer europaweiten Beachtung und Ehrung der Ebernburg sicher seine helle Freude gehabt.

Prof. Dr. Hans-Joachim Bechtoldt, im September 2013.

 

Aktuell (2017) bemüht sich die Ebernburg-Stiftung in Kooperation mit anderen Partnern aus der Region um den UNESCO-Titel »Welterbe« (Weltkulturerbe).

 

 

Herr Staatssekretär Walter Schumacher vom rheinland-pfälzischen Bildungsministerium (links), daneben der Vorsitzende der Ebernburg Stiftung, Prof. Dr. Hans-Joachim Bechtoldt.

Jagdhornbläser der Kreisgruppe Bad Kreuznach im Landesjagdverband Rheinland-Pfalz, die den Festakt auf der Ebernburg zünftig untermalten.